„Wir stehen heute genau dort, wo 1822 Lorenz Oken den Grundstein für unsere Gesellschaft gelegt hat“, sagte Prof. Dr. Michael Dröscher, Generalsekretär und Schatzmeister der GDNÄ, zur Eröffnung. „Damals wie heute gilt: Wissenschaft entfaltet ihre Wirkung am stärksten, wenn sie die Grenzen der Disziplinen überwindet.“ Dröscher, ehemals selbst als Chemiker tätig, betonte die Bedeutung des neuen Regionalformats: „Es ist ein Experiment – und wir sehen, dass es funktioniert. In einer Region viele Fachrichtungen zusammenzubringen, war das Ziel, und es ist aufgegangen.“
Die Initiative zum Regionaltreffen in Leipzig ging von Andrea Löser aus, früher Vertriebsleiterin bei Löser Medizintechnik in Leipzig, die gemeinsam mit ihrem Mann Dr. Thomas Löser im Bereich Sepsisforschung aktiv ist. „Wir wollten nicht immer zwei Jahre auf den nächsten großen GDNÄ- Kongress warten. Als Prof. Dröscher die Idee der Regionaltreffen ins Spiel brachte, waren wir sofort begeistert. Die BioCity Leipzig war für uns der ideale Ort für den Auftakt“, sagte Löser.
Gastgeberin Dr. Anja Rösler, Bereichsleiterin Medizintechnik der BioCity Leipzig, hob die enge Verbindung von Wissenschaft, Wirtschaft und Bildung am Standort hervor: „Als Biologin freue ich mich sehr, dass dieser Austausch hier stattfindet. Die BioCity ist ein idealer Ort, um disziplinübergreifende Synergien zu fördern.“
Ein wissenschaftliches Highlight des Treffens war der Vortrag von Prof. Dr. Clara T. Schoeder, Juniorprofessorin am Institut für Wirkstoffentwicklung der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Unter dem Titel „Proteindesign zur Entwicklung von neuen Arzneimitteln – wie künstliche Intelligenz die Wirkstoffentwicklung verändert“ führte sie das Publikum in die faszinierende Welt des computergestützten Proteindesigns ein.
Schoeder erklärte, wie neuronale Netzwerke inzwischen in der Lage sind, die Faltung komplexer Proteine vorherzusagen – ein Durchbruch, für den 2024 die Entwickler von „AlphaFold2“ mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Am Leipziger Institut werde aktiv an der Weiterentwicklung dieser Methoden gearbeitet – insbesondere mit Blick auf die beschleunigte Impfstoffentwicklung. „Die Hoffnung ist, dass wir künftig bei einem Virusausbruch auf einen Knopf drücken können – und das Design für einen passenden Impfstoff liegt bereit“, sagte Schoeder.
Die Resonanz auf ihren Vortrag war überwältigend. Florian Horn, Arzt aus Berlin, zeigte sich beeindruckt: „Ich war 2008 zuletzt bei einer GDNÄ-Tagung in Tübingen. Die Veranstaltung heute hat mir gezeigt, wie inspirierend dieser interdisziplinäre Austausch ist.“ Auch zahlreiche Biologie- und Medizinstudierende sowie junge Wissenschaftler aus Leipzig und Umgebung lobten das Format.
Ein besonderer Programmpunkt war die Vorstellung des jungen Netzwerks der GDNÄ, der jGDNÄ. Selma Goosmann (Biochemie-Studentin in Leipzig) und Nick Bollfraß (Absolvent der Chemie) präsentierten die Strukturen und Ziele der erst im Vorjahr gegründeten Nachwuchsinitiative. „Wir sehen uns als Brücke zwischen den jungen Menschen und der GDNÄ“, erklärte Goosmann. Das Netzwerk richtet sich an Schüler, Studierende und Nachwuchsforschende bis 32 Jahre und plant bereits den ersten eigenen Jahreskongress Ende Juni in Heidelberg.
Mit dem Leipziger Regionaltreffen hat die GDNÄ ein neues Format etabliert, das nahbar ist, Austausch auf Augenhöhe ermöglicht und wissenschaftliche Erkenntnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Dass die Veranstaltung am Ort ihrer Gründung stattfand, verlieh ihr eine besondere Symbolkraft. „Lorenz Oken war ein Visionär, ein echter Nerd seiner Zeit“, so Dröscher. „Er wusste, dass Wissenschaft nur dann vorankommt, wenn wir gemeinsam denken. Diese Idee lebt – heute mehr denn je.“
Über die GDNÄ:
Die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) wurde 1822 in Leipzig von dem Naturphilosophen und Arzt Lorenz Oken gegründet und ist die älteste interdisziplinäre wissenschaftliche Gesellschaft im deutschsprachigen Raum. Der Name der GDNÄ hat sich aus dieser Zeit erhalten. Die GDNÄ bringt Expertinnen und Experten aus Naturwissenschaften, Medizin, Technik und Informatik zusammen – mit dem Ziel, wissenschaftlichen Austausch zu fördern und die Wissenschaft für die Gesellschaft erlebbar zu machen. Die nächste Versammlung der GDNÄ (Nr. 134) findet vom 17. bis 20. September 2026 in Bremen statt und steht unter dem Motto: „Wissen schafft Nutzen – Wissenschaft nutzen“.