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Biomimetisches Langzeitresorbierbares Trommelfellimplantat unter den Top 3

02.12.2021
Ein interdisziplinär aufgestelltes Forscherteam der TU Dresden, bestehend aus Dr.-Ing. Dilbar Aibibu und Dipl.-Ing. Lukas Benecke vom Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) sowie Prof. Dr. med. Marcus Neudert und Dr.-Ing. Zhaoyu Chen von der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) der Medizinischen Fakultät, hat es mit seiner Entwicklung eines biomimetischen Trommelfellimplantats in die Endrunde des Otto von Guericke-Preises 2021 der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) geschafft.

Erstmalig: Dauerhafte und komplette Rehabilitation des Trommelfells

Über 30 Millionen Menschen leiden jährlich an den Folgen eines defekten Trommelfells. Ohne fachmedizinische Behandlung kann dies zu dauerhaften Schäden und schwerem Hörverlust führen. Zur Rekonstruktion des Trommelfells, der sogenannten Myringoplastik, werden heute körpereigene Knorpelhaut, Muskelhaut oder synthetische Materialien eingesetzt. „Da deren Materialeigenschaften nicht denen des natürlichen Trommelfells entsprechen, ist eine vollständige Rehabilitation der Trommelfell-Funktion damit nicht möglich“, ist Professor Marcus Neudert vom Ear Research Center Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) Dresden an der Technischen Universität Dresden überzeugt.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom ITM und HNO-Klinik der TU Dresden entwickelten gemeinsam innerhalb des IGF-Vorhabens „MyringoSeal“ ein biomimetisch aufgebautes künstliches Trommelfellimplantat, dessen Schwingungseigenschaften und Druckstabilität mit denen eines menschlichen Trommelfells vergleichbar sind. „Das ist bisher einmalig. Die neuartige Membran ermöglicht eine dauerhafte und komplette Wiederherstellung des Trommelfells. Die Herstellung solcher Implantate ist mithilfe der Elektrospinntechnologie aus den Biomaterialien Seidenfibroin und Polycaprolacton realisierbar“, beschrieb Aibibu die Forschungsergebnisse. Anders als die aktuell verwendeten Materialien erlaube das Trommelfellimplantat eine naturgetreue Wiederherstellung der Schallleitung. Es fühle sich, laut Chen, operativ wie natürliches Gewebe an. „Bei der Entwicklung achteten wir darauf, dass es sich um schneidbare Materialien handelt. Damit können die Membranen direkt an den Trommelfelldefekt angepasst werden“, so Benecke weiter. Das Material halte aufgrund seiner Eigenschaften auch über Wasseradhäsion an Ort und Stelle, da naturgemäß Naht- oder Klebetechniken in diesem Bereich nicht eingesetzt werden können.

Forschungsergebnisse auch in völlig anderen Branchen anwendbar

Die Forschenden kooperierten in dem IGF-Projekt unter anderem mit der Heinz Kurz GmbH aus Dusslingen. Dessen Geschäftsführer Matthias Mertens fasste seine Erfahrungen zusammen: „Als mittelständischer Hersteller von Medizinprodukten, gerade im Bereich der HNO und der passiven Mittelohrimplantate, sind wir von den Ergebnissen begeistert. Zum einen, weil sich für den Patienten völlig neue Therapien auftuen, für die es bisher keine Option gab. Zum anderen stärkt es uns auch im Wettbewerb, indem wir uns von dem, was auf dem Markt ist, abgrenzen können.“

Weiter betonte Dr. Andreas Förster, Geschäftsführer der DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., eines von 100 AiF-Mitgliedern: „‘MyringoSeal‘ ermöglicht die passgenaue Herstellung von komplexen Fasermaterialien. Dadurch ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, nicht nur in der Medizintechnik, sondern auch in anderen Branchen, wie der Elektrotechnik oder der Architektur. Faktoren wie die anwendungsorientierte Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren Unternehmen sowie die branchenübergreifende Nutzungsoption der Forschungsergebnisse machen dieses Projekt zu einem herausragenden Beispiel der Industriellen Gemeinschaftsforschung.

Das IGF-Vorhaben 20533 BR der Forschungsvereinigung DECHEMA Deutsche Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. wurde über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsunternehmen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Quelle: Pressemitteilung TU Dresden vom 02.12.2021