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Saudi-Arabiens Modernisierungsprogramm Vision 2030 bietet Chancen für Medizintechnik-Hersteller

23.09.2020
Seit 2016 verfolgt Saudi-Arabien ein umfangreiches Modernisierungs- und Investitionsprogramm für Wirtschaft, Energie und Gesundheit. Auch für die Medizintechnik-Branche stehen die Zeichen auf Wachstum. Davon profitieren auch deutsche Hersteller, denn ihre Produkte sind im Land begehrt.

Millionen Pilger aus der ganzen Welt kommen jedes Jahr nach Mekka und Medina. Der Haddsch nach Saudi-Arabien gehört zu den fünf Grundpflichten im Islam. Viele gläubige Muslime sparen ein Leben lang, um die große Pilgerfahrt antreten zu können. Um die Einnahmen aus dem Tourismus zu steigern, hatte Kronprinz Mohammad bin Salman bin Abdulaziz Al-Saud in seinem Projekt Vision 2030 sogar aufgenommen, die Zahl der Pilger von 2,5 auf 6 Millionen zu steigern. Dann machte das Coronavirus den Gläubigen und auch dem Kronprinzen einen Strich durch die Rechnung: Nur 1000 im Land lebende Pilger waren im Juli zum diesjährigen Haddsch zugelassen.

Dabei hätte das Land die Einnahmen von mehreren Milliarden Euro durch die gläubigen Reisenden gut gebrauchen können: Der sinkende Ölpreis und die Corona-Pandemie schwächen die Wirtschaft des Königreichs und verhindern Einkünfte, die Mohammed bin Salman dringend für sein ehrgeiziges Projekt benötigt, mit dem Saudi-Arabien die Abhängigkeit vom Erdöl verringern und den Ausbau der Bereiche Wirtschaft, Energie, Tourismus und Gesundheit vorantreiben will.

Mit dem Projekt Vision 2030 steht der Gesundheitssektor in Saudi-Arabien vor einem Strukturwandel. Die Hauptakteure der Branche sind das saudi-arabische Gesundheitsministerium (MOH) und das National Transformation Program, deren Aufgabe es ist, das Privatisierungsvorhaben des Landes voranzutreiben: Bis 2030 sollen 295 der im Jahr 2018 erfassten 329 staatlichen Krankenhäuser privatisiert sowie 2259 der 2390 staatlichen Gesundheitszentren zur Primärversorgung privatisiert werden, meldet die Außenwirtschaftsgesellschaft Gtai.

Doch der Ausbau des Sektors kam landesweit in den vergangenen Jahren langsamer als geplant voran. 2020 sanken die Ausgaben der Regierung für den Gesundheitssektor sogar um 4 % auf 44,5 Mrd. US-Dollar. Dennoch nimmt die Branche eine wichtige Rolle in den Regierungsplänen ein, und die Krankenhauskapazitäten wurden deutlich ausgebaut. Zwischen 2012 und 2018 stieg die Zahl der privaten und staatlichen Krankenhäuser um 59 auf 494 und auch die Bettenzahl nahm um über das Fünffache zu.

 USA und Deutschland sind die Medtech-Hauptlieferanten

In Saudi-Arabien sind die Krankenhäuser und Gesundheitszentren die Hauptabnehmer von Medizintechnik. Der Markt wird zu über 90 % durch ausländische Hersteller versorgt. Die Inlandsproduktion beschränkt sich nach Gtai-Angaben im Wesentlichen auf medizinische Verbrauchsartikel wie Spritzen oder Kunststoffprodukte. Den Großteil der Medizintechnik für die knapp über 34 Millionen Einwohner und Medizintouristen des Königreichs liefern die USA und Deutschland.

Die Medizintechnik-Beschaffung erfolgt in der Regel über Ausschreibungen. Für ausländische Unternehmen ergeben sich dadurch viele Chancen – von der Lieferung medizinischer Geräte und Ausstattung über das Projektgeschäft im Klinikbau bis hin zum Betrieb von Krankenhäusern. Im Oktober 2019 gab Siemens Healthineers eine zehnjährige strategische Partnerschaft mit dem privaten Gesundheitsdienstleister Dallah Health Company bekannt. Sie war die erste ihrer Art in Saudi-Arabien und steht laut Siemens im Einklang mit der Vision 2030 für eine stärkere Beteiligung des Privatsektors an der Gesundheitsversorgung.

Siemens Healthineers liefert Geräte und Service für 25 Mio. Euro

Im Rahmen der Partnerschaft verantwortet Siemens Healthineers heute das Technologiemanagement in der Radiologie des Krankenhauses Nakheel in Riad und kümmert sich um Installation, Wartung, Upgrade und Austausch der bildgebenden medizinischen Geräte sowie die Schulung für die biomedizinischen und klinischen Teams. „Das Krankenhaus ist so immer auf dem neuesten technologischen Stand“, sagt João Seabra, Leiter von Enterprise Services bei Siemens Healthineers. Der Auftrag hat einen Wert von insgesamt 25 Mio. Euro. Mit mehr als 2000 Mitarbeitern besitzt und betreibt die Dallah Health Company das Dallah Nakheel Hospital in Riad, in dem jährlich mehr als 500 000 Patienten behandelt werden. Ein lohnendes und wachsendes Geschäft für das Medizintechnikunternehmen aus Erlangen: „Wir sehen eine steigende Nachfrage im Mittleren Osten und Afrika“, erklärt auch Bernd Ohnesorge, bei Siemens Healthineers Leiter der Region EMEA.

Auch die Dürr Technik GmbH & Co. KG aus Bietigheim-Bissingen profitiert vom Ausbau des saudischen Gesundheitssystems: Über 2000 Atemluftkompressoren ihres Modells Sicolab Med sollen künftig die Beatmungsgeräte saudi-arabischer Krankenhäuser mit medizinischer Druckluft versorgen. Bestellt hat sie der saudische Distributor Techno Orbits, der sowohl medizinische Geräte als auch Arzneimittel in Saudi-Arabien, Jordanien, Katar, Kuwait und Bahrain verkauft. Im Rahmen einer Ausschreibung der Regierung Saudi-Arabiens erhielt der Händler den Zuschlag, die Krankenhäuser des Landes mit Beatmungsgeräten zu versorgen, und beauftragte den schwäbischen Pumpen- und Kompressoren-Spezialisten mit der Druckluftversorgung

 Marktzugang über Händler oder Vertriebspartner

Viele Unternehmen aus Europa starten ihren Weg nach Saudi-Arabien mit dem Besuch der Arab Health in Dubai, der größte Gesundheitsmesse im Nahen Osten. Die Barkley GmbH & Co. KG, Leopoldshoehe, nutzt dafür den NRW-Gemeinschaftsstand auf der Messe. Bereits sechs Mal hat Unternehmer Christian Barkley an der Arab Health teilgenommen, um Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Das Medizintechnikunternehmen stellt unter anderem Blut- und Infusionswärmer, Wärmedecken und Neonatologie-Produkte her. Für den Verkauf beispielsweise nach Saudi-Arabien sucht sich der Unternehmer lokale Vertriebspartner, um vor Ort auch Service und Gewährleistung bieten zu können. Im arabischen Raum entsteht seiner Meinung nach ein wachsender Markt für Gesundheitsprodukte und Analysegeräte, denn die Bevölkerung leide zunehmend an Volkskrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Beschwerden. Barkley: „Diese Länder werden in absehbarer Zeit mit Sicherheit einige Märkte in Europa vom Umsatz her ablösen.“

Vision 2030 – Neuerungen für das saudi-arabische Gesundheitssystem

Unter dem Vorsitz von Prinz Mohammed bin Salman bin Abdulaziz, dem Kronprinzen, Vizepräsidenten des Ministerrats und Verteidigungsminister, der auch Vorsitzender des Rates für Wirtschafts- und Entwicklungsangelegenheiten ist, billigte der Rat den Ausführungsplan für das „Privatisierungsprogramm“, den Schlüsselplan der Vision 2030 des Königreichs zur Effizienzsteigerung der nationalen Wirtschaftsleistung.

In den Ausbau und die Modernisierung des Gesundheitswesens will die saudische Regierung rund 11 Mrd. US-Dollar investieren. Zunächst soll der Anteil des Privatsektors im Gesundheitssystem in den nächsten Jahren von 25 % auf 35 % erhöht und die Privatisierung einzelner Abteilungen in staatlichen Kliniken vorangetrieben werden. Ein weiteres Ziel des Projekts Vision 2030 ist der Ausbau der Digitalisierung des Gesundheitssektors. Zudem sollen die Berufe innerhalb des Sektors für die saudi-arabische Jugend attraktiver gemacht werden.

Zur Steigerung der Produktivität, Effizienz und Leistungsqualität bei der Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistungen in Krankenhäusern hat das saudische Gesundheitsministerium (MOH) „Ada‘a Health“ ins Leben gerufen, ein Programm, das den Weg für die Erreichung der Gesundheitsziele der Saudi Vision 2030 ebnet und die Akutversorgung in den Notaufnahmen verbessert.

Quelle: Pressemitteilung medizin&technik vom 23.09.2020