Die Organisation unserer Haut

13.12.2017
Stammzellenverhalten entscheidet sich nach räumlicher Packung

Die menschliche Haut ist ein bemerkenswertes Organ, das den Körper vor Krankheitserregern und giftigen Substanzen schützt. Sie passt sich unserem Körper perfekt an und erneuert sich über die gesamte Lebenszeit. Dieses dynamische Verhalten wird durch einfache Regeln gesteuert. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln konnten jetzt zeigen, dass das Verhalten von Stammzellen der Haut davon abhängt, wie dicht sie gepackt sind. Kollegen vom Interdisziplinären Zentrum für Bioinformatik der Universität Leipzig liefern hierzu maßgeschneiderte Computermodelle.

Die Haut eines Erwachsenen besteht aus verschiedenen Schichten. Ihre Stammzellen sitzen in der untersten Schicht und sorgen dort ständig für Nachschub an neuen Zellen. Diese wandern an die Oberfläche des Gewebes und verwandeln sich währenddessen in spezialisierte Zellen. Hierbei verändern sie ihre Eigenschaften - ein Vorgang, der auch als Differenzierung bezeichnet wird. In der Haut muss ein Gleichgewicht zwischen differenzierten Zellen und Stammzellen aufrechterhalten bleiben. Ohne dieses natürliche Gleichgewicht geht die Struktur der Haut verloren und sie kann nicht mehr als Barriere wirken. Wie die Haut dieses Gleichgewicht erhält, war bis jetzt weitgehend unklar.

Zur Regeneration der Haut teilen sich die Stammzellen und deformieren in der Folge ihrer Umgebung einschließlich der benachbarten Stammzellen. Mitarbeiter der Forschungsgruppe von Sara Wickström am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns haben nunmehr beobachtet, dass genau diese Verdichtung und Verformung zu einer Differenzierung der benachbarten Zellen führt. Die deformierten Nachbarzellen verändern ihre mechanischen Eigenschaften und entkommen dem lokalen Druck in höhere Zellschichten der Haut. Die Ergebnisse der Wissenschaftler zeigen zum ersten Mal, wie ein komplexes Gewebe wie die menschliche Haut sich durch sehr einfache Prinzipien der Selbstorganisation erhalten kann.

Dr. Torsten Thalheim aus der Forschungsgruppe von Dr. Jörg Galle am Interdisziplinären Zentrum für Bioinformatik der Medizinischen Fakultät übersetzte dieses Verhalten in ein dreidimensionales Computermodell der Haut und untersuchte, in welchem Maße sich die Zelleigenschaften während der Differenzierung tatsächlich ändern müssen, um den beobachteten Effekt robust zu induzieren. Hierbei entdeckte er, dass vor allem die Stammzellteilung selbst, die die Differenzierung auslöst, fein auf diese Änderungen abgestimmt sein muss, da sie bei zu hoher Packungsdichte auch zum Erliegen kommen kann. Folglich laufen Zellteilung und Zelldifferenzierung in der Haut wechselseitig koordiniert ab.

Die in Leipzig entwickelten Computermodelle sollen in Zukunft die Wissenschaftler nicht nur dabei unterstützen herauszufinden, wie grundlegende Mechanismen im gesunden Gewebe geregelt sind, sondern auch, wie genetische Mutationen das Stammzellverhalten in der Haut beeinflussen, wie diese Veränderungen zur Krebsentstehung beitragen und wie dieser Entwicklung eventuell vorgebeugt werden kann.

Originalarbeit ist erschienen im Fachmagazin Nature Cell Biology, Dez 2017
Adhesion forces and cortical tension couple cell proliferation and differentiation to drive epidermal stratification
http://www.nature.com/articles/s41556-017-0005-z
doi:10.1038/s41556-017-0005-z

Weitere Informationen:
Dr. Jörg Galle
Interdisziplinäres Zentrum für Bioinformatik (IZBI)
Telefon: +49 341 97-16674
E-Mail: galle@izbi.uni-leipzig.de
Web: www.izbi.uni-leipzig.de

Quelle: Pressemitteilung der Universität Leipzig vom 12. Dezember 2017

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