Zwei Veranstaltungen – zwei Themen – eine Verbindung. Gleich-Gewicht. In der vergangenen Woche stand Leipzig und Sachsen gleich doppelt im Zeichen des Wachsens und Schrumpfens – sowohl beim 1st Annual European BioPharma Obesity Innovation Forum (EBOIF) als auch bei der Jubiläumsfeier „25 Jahre Biotechnologie-Offensive Sachsen“ in Leipzig. Von Urs Moesenfechtel
Body, Balance, Biochemie
Am 11. und 12. Juni 2025 wurde Leipzig zum Hotspot der Stoffwechselmedizin. Sachs Associates brachte – mit Unterstützung der Stadt Leipzig, dem biosaxony e.V. und der leap:up GmbH – erstmals die europäische Ausgabe seines aus San Francisco bekannten Formats auf die Bühne: das 1st Annual European BioPharma Obesity Innovation Forum (EBOIF). Rund 80 Teilnehmende aus Europa, Nordamerika und Asien diskutierten über Wirkstoffforschung, Versorgungsfragen und internationale Markttrends. Auf dem Programm: GLP-1-Rezeptor-Analoga, multimodale Therapien, digitale Tools zur Therapieüberwachung und neue Ansätze in der Biosensorik. Ebenso im Fokus: Leitlinien für die Kostenübernahme, smartere Integration in Gesundheitssysteme. Die zentrale Frage: Wie schaffen wir ein gesundes Gleich-Gewicht – biologisch, technologisch und systemisch?
Business, Breakthroughs, Bedeutung
Mit dem Kampf gegen den Körperumfang geht ein enormes Wirtschaftspotenzial einher. Trotz steigender Kosten und Herausforderungen in den Gesundheitssystemen wird der weltweite Markt für Stoffwechselerkrankungen bis 2030 auf über 100 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das Forum setzte daher auch einen klaren Fokus auf Europas Rolle als Innovations- und Wirtschaftstreiber. So ging es in Panels wie „Investing in CardioRenal, Metabolic & Obesity Platforms“ um Marktpotenziale, regulatorische Strategien und die Bedeutung interdisziplinärer Allianzen – insbesondere für anwesende Start-ups wie Skye Bioscience (oraler CB1R-Inhibitor), Rejuvenate Biomed (Muskelmasseerhalt bei Gewichtsverlust), Aphaia Pharma (nasales GLP-1-Analogon) und Lipocyte BioMed (Fettzellstoffwechsel).
Brennpunkt, Basis, Brücke
Mit Einrichtungen wie dem Helmholtz-Institut HI-MAG und dem neu gegründeten Leipzig Center of Metabolism (LeiCeM) zeigt sich, dass Leipzig nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell der richtige Ort für diese Debatten ist. Mit einem wachsenden Ökosystem an Start-ups und Forschungspartnern hat sich die Stadt als Zentrum für Stoffwechselmedizin etabliert. Hinzu kommen zahlreiche Spin-offs, Förderprogramme und Gründerzentren in Leipzig – vom BioCity Campus über das CityLab bis hin zu innoSpace und dem SpinLab. Das EBOIF sendete somit ein klares Standortsignal: Leipzig ist aktiver Mitgestalter globaler Lösungen im Bereich Stoffwechsel und Gesundheitsversorgung.
BIO CITY LEIPZIG, BioSquare, Bauen
Parallel zur Fachkonferenz lud die Wirtschaftsförderung Sachsen gemeinsam mit der Stadt Leipzig zu einem Rundgang über den BioCity Campus ein. Zu den Stationen gehörten unter anderem das Zelllager der Vita34 / FamiCord AG, das Gründerzentrum medical:forge, das Fraunhofer IZI sowie der Neubau des Biotech-Unternehmens c-LEcta. Auf einem rund 50 Hektar großen Areal entsteht ein innerstädtischer Life-Sciences-Campus. 355.000 m² sind bereits verkauft oder in Nutzung, weitere 105.000 m² Nettobauland stehen exklusiv für die Branche bereit. Bisher wurden in Leipzig über 395 Millionen EUR investiert. Die Zeichen stehen klar auf Wachstum.
Beisammensein, Begeisterung, Beständigkeit
Später am Tag feierte die Biotechnologie-Offensive Sachsen ihr 25-jähriges Jubiläum im gerade fertiggestellten Neubau der OFB Projektentwicklung GmbH, der die neue Heimat des Enzymentwicklers c-LEcta wird. Rund 150 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft waren gekommen, um gemeinsam auf eine Erfolgsgeschichte zu blicken, die vor einem Vierteljahrhundert begann und heute als fester Pfeiler der sächsischen Innovationslandschaft gilt. Marc Struhalla, Geschäftsführer von c-LEcta, betonte, dass das neue Gebäude sinnbildlich für baulichen Fortschritt und ein verändertes Denken in der Branche stehe.
Ministerpräsident Michael Kretschmer erinnerte sich mit einem Schmunzeln an die Anfänge der Initiative, die damals von vielen als Fehlinvestition betrachtet wurde und sich nun als großer Erfolg entpuppt habe. Seit dem Jahr 2000 hat der Freistaat über eine Milliarde Euro in die Biotechnologie investiert. Heute umfasst Sachsen mehr als 2.700 Unternehmen im Health- und Biotech-Sektor, die rund 15.000 Menschen beschäftigen – allein 5.300 davon in Leipzig.
Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter bezeichnete diese Entwicklung als Erfolgsmodell, verwies aber auch auf den schrumpfenden Haushalt. Trotz der kommenden finanziellen Einschränkungen wolle sich das Land aber weiterhin mit Nachdruck für den Biotech-Standort einsetzen und Wachstum fördern. Dass dieser Standort von einer bemerkenswerten Dynamik geprägt ist, zeigten an diesem Tag nicht nur die Bilanzen, sondern auch die Perspektiven. Mehrere junge Unternehmen lieferten eindrucksvolle Beispiele für die Innovationskraft des sächsischen Biotech-Clusters. Darunter: das Leipziger Start-up Primogene, Seamless Therapeutics und Cancilico. Ebenso präsentierte sich die noch im Aufbau befindliche ignite:medical. Sie versteht sich als Bindeglied zwischen medizinischem Bedarf und technischer Lösung und setzt auf eine enge Verzahnung von Klinik, Technologieentwicklung und Start-up-Kultur.
Blick, Balance, Biotop
Sowohl das Obesity-Forum als auch die Jubiläumsfeier boten eine Momentaufnahme der aktuellen Entwicklungen und unterstrichen, wie entschlossen Sachsen – insbesondere Leipzig – seine Rolle als dynamischer Akteur im Gesundheits- und Biotechnologiesektor weiter ausbaut. Wer zum Abschluss der Veranstaltung die Dachterrasse des zukünftigen c-LEcta-Gebäudes betrat, bekam einen direkten Eindruck vom Fortschritt: Der Blick auf das Areal der Alten Messe Leipzig offenbarte deutlich, wie stark sich der Standort in den vergangenen Jahren entwickelt hat. André Hofmann, stellvertretender Vorsitzender des biosaxony e.V., betonte in diesem Zusammenhang, dass das sichtbare Wachstum das Resultat einer über viele Jahre gewachsenen Zusammenarbeit, gegenseitiger Unterstützung und einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung sei, mit dem Ziel, Sachsen im internationalen Wettbewerb langfristig wettbewerbsfähig zu positionieren.